Das Titelthema des aktuellen Philosophie Magazins wirft mehrere Fragestellungen auf, die aktuell in zahlreichen kritischen Diskursen kursieren. Für viele Menschen ist der Verzicht kein Akt der Freiwilligkeit. Würden wir ein Bedürfnis wie Hunger oder Durst nicht stillen, wäre der Tod unausweichlich. Aber was ist etwa mit all den Bedürfnissen, die nicht lebensnotwendig, aber trotzdem existent, vielleicht sogar drängend sind? Welches Kriterium lässt sich anlegen, um sie als falsch oder richtig auszuweisen? Im Heft findet man ein ein Dossier zum Thema sowie wie immer einiges mehr. Lesenswert ist vor allem auch ein Gespräch zwischen Rahel Jaeggi und Robert Pfaller über das, was wir brauchen.
Diese mittlerweile vergilbte Postkarte stand schon vor etwa 20 Jahren auf meinem Schreibtisch und gefiel dort vielen Besuchern. Was ich heuer verschenke, werde ich oft gefragt. Nun, ich bemühte mich immer schon darum, Freunden etwas zu geben, was sie auf irgendeine Art weiterbringt oder erfreut.
Bücher zählten zu allen Zeiten zu meinen Lieblingen. Und zu Weihnachten dann sowieso. Als Geschenk an mich und von mir.
Heuer verschenke ich etwa den neuen Roman meiner Lieblingsautorin Nele Pollatschek. Ich liebte schon ihr Vorgänger-Buch „Dear Oxbridge“. Im neuen Buch „Kleine Probleme“ erzählt sie vor allem von der Schwierigkeit, sein Leben nicht auf später zu verschieben. Der Roman ist aber nicht nur gefundenes Lesefood für Prokastrinierer; auch die Sprache des schillernden Romans ist eine echte Seelenweide. Man lese hier …
Stermann erzählt von Gesprächen mit ihr: Wer die Psychoanalytikerin Erika Freeman je erlebt hat – und sei es nur im Fernsehen, dem zaubert sich automatisch ein Lächeln aufs Gesicht: Man glaubt voller Freude an die Möglichkeit von Wundern und die Kraft der Liebe. Dirk Stermanns Buch macht Freude.
Wer Michael Köhlmeier kennt, weiß, wie verführerisch und mitreißend seine sprachlichen Reisen sind. Wer sich für das Schöne begeistern kann wird im neuen Buch “Das Schöne” mitschwelgen.
Bemerkenswert ist – unter vielen anderen außergewöhnlichen Büchern des jungen spannenden Verlagshauses etwa die Geschichte eines Magazins namens Spring, das sich nicht nur der Liebe zum graphischen Erzählen verschrieben hat, sondern auch der Zusammenarbeit und Solidarität unter den Zeichnerinnen und Illustratorinnen. Die insgesamt 20 Illustratorinnen der Künstlerinnen-Gruppe erzählen vom Zusammensein, vom Austausch zwischen Mensch und Natur, von der Symbiose im Tierreich, von der Solidarität unter Frauen, von Suffragetten und Comic-Gewerkschaften, von der Eheberatung, von Erbe und Familie, vom Aneinandergefesseltsein, ob tragisch oder komisch, von der Sehnsucht nach Gemeinschaft, von Kontaktanzeigen mit Dackeln, vom In-die-Welt-geworfen-sein und von den Möglichkeiten des Sichverbindens.
Eine Augenweide.
Rebekka Reinhard promovierte an der Freien Universität Berlin über Gegenwartsphilosophie. Sie arbeitete viele Jahre mit stationären Patientinnen und Patienten der Psychiatrie und Onkologie. Jetzt ist sie freie Philosophin, Speakerin und berät Entscheiderinnen und Entscheider zu den Themen Führung, künstliche Intelligenz und Diversity.
Ihr Buch “Die Kunst, gut zu sein“ ist im Ludwig-Verlag erschienen und soll einen inneren Kompass bieten für ein Leben, das auch in Krisenzeiten glücklich macht. Ohne Pathos, pragmatisch und berührend, anspruchsvoll und alltagstauglich, mit den Ideen großer Denker von Erich Fromm über Hannah Arendt bis zu Aristoteles liefert sie Stoff zur Reflexion und ganz praktische Denkanstöße. Etwa stellt die Autorin die Banalität des Guten der Arendt´schen Banalität des Bösen gegenüber: “Das Gute kann auf einem ganz kleinen Level im alltäglichen Radius der Banalität des Bösen entgegenwirken. Tatsächlich merke ich, dass ich zufriedener werde, ruhiger, vielleicht sogar resilienter, seit ich es mir zur Gewohnheit gemacht habe, freundlich zu sein, Menschen zu helfen, schwere Taschen zu tragen, wenn nötig. Und wenn ich auch zu mir selbst gut bin. Da kann sich eine richtige Lebenshaltung daraus entwickeln.“
Um bei einem philosophischen Thema zu bleiben: In existenziellen Krisen der Menschheit ist das Ethos der Aufklärung notwendiger denn je. Das zeigt der Historiker und Schriftsteller Philipp Blom in seinem kämpferischen Essay “Aufklärung in Zeiten der Verdunkelung”. Es sind mit theologischem Schutt behaftete Ideen, die von der gemäßigten Hauptströmung der Aufklärung transportiert wurden und unser Denken und Handeln bis heute prägen. Jetzt ist es Zeit für die wahre, radikale Aufklärung, so fordert der Autor vehement. Das Buch ist ein Aufruf zu einer neuen Klarheit des Denkens. Denn die Probleme von morgen können wir nicht mit der Denkweise und Philosophie von gestern bekämpfen.
Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums dieser Webseite und der Buchreihe veröffentlicht die Autorin ein Tagebuch.
Es enthält Erinnerungen an philosophische Interviews, Festivals und auch kleine biographische Gedanken, Blogbeiträge, Ideen oder Erinnerungsfetzen an unzählige Gespräche und Überlegungen. Manche Ereignisse der letzten zehn Jahre sind erstaunlich aktuell und erscheinen heute zuweilen in einem neuen Licht: „Mein erstes Buch „Die Philosophen kommen“ erschien 2013. Die gleichnamige Online-Plattform dazu gab es damals schon. Dass daraus eine ganze Reihe weiterer Bücher entstehen sollte, war mir damals noch nicht so klar; wohl aber, dass das Buch mit der Erscheinung in Printform kein abgeschlossenes Projekt sein würde. Es schrie geradezu nach einer Weiterführung – gedruckt und online“.
Warum ein Tagebuch? “Weil es kein Sachbuch ist. Auch kein Roman. Keine Kurzgeschichte. Kein Poesieband. Und keine Autobiographie. Und doch von allem etwas. Ein philosophisches Tagebuch eben. Frei nach Friedrich Nietzsche: Für alle und keinen.”
Erinnerungen an Gespräche mit Konrad Paul Liessmann, Robert Pfaller und vielen anderen spielen ebenso eine Rolle wie Erinnerungen an Festivals und Aussagen von Philosophen wie Jean Baudrillard, Heinz von Förster oder Vilém Flusser. Aber auch ChatGPT spielt mit in den Gedanken um unser Sein. Und die Frage nach unserem zukünftigen Umgang mit KI-Technologien.
Illustriert wurden die Texte von der Kunst- und Literatur-Studentin Annabell Sent aus dem Kleinwalsertal, die ihren jungen, graphischen Blick einbringt, manches hervorhebt und die Tagebuch-Gestaltung dadurch noch authentischer macht. Sie hat Kunstgeschichte studiert und ist mitten im Masterstudium “Literaturvermittlung in sozialen Medien” in Marburg.
Wie kommuniziert man wissenschaftliche Inhalte am besten? Eine Frage, die – nicht zuletzt aufgrund der gesellschaftlichen Verantwortung – auch philosophische Relevanz hat.
Wissenschaft darf nicht abgetrennt von der Öffentlichkeit passieren, ist Prof. Dr. Antje Boetius überzeugt. Sie ist Mitglied der Hector Fellow Academy. Diese junge Wissenschaftsakademie ermöglicht interdisziplinäre Projekte zwischen renommierten ProfessorInnen aus verschiedenen MINT-Fächern sowie Medizin und Psychologie. Deshalb beschäftigt sie sich viel mit der Frage, wie man wissenschaftliche Ergebnisse in die Öffentlichkeit tragen kann, um einen Dialog zu ermöglichen. Boetius probiert dafür auch neue Formate aus, die etwa Kunst und Wissenschaft verbinden und abstrakte Datensätze visuell erfahrbar machen. Sie ist Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und Professorin für Geomikrobiologie an der Universität Bremen. Mehr dazu hier.
Wie wird die KI unsere Arbeit, die Medizin, Beziehungen, Kunst und Kultur verändern? Fragen über Fragen entstehen und geben in diesem sehr empfehlenswerten Forum eine Ahnung von der Vielzahl der Facetten, die sich heute und in Zukunft auftun. Ein philosophisches Forum über die Entwicklung der neuesten digitalen Technik und unsere Chance, sie im Zaum zu halten. Zu sehen in der ORF TVthek.
Angesichts einer krisengeschüttelten Welt, in der sich Nachrichten über Klimakatastrophen, Kriege, zusammenbrechende Versorgungssysteme und Pandemien überbieten, scheint kein Platz mehr für jene Hoffnungen, die sich in optimistischen Erwartungen, lichtvollen Utopien und Visionen vom ewigen Frieden zeigten.
Unter dem Titel „Alles wird gut. Zur Dialektik der Hoffnung“ werden vom 19. bis 24. September renommierte Vortragende die Thematik so tiefgreifend wie breitgefächert erörtern und mit dem Publikum diskutieren. Die ganze Zwiespältigkeit und Dimension einer grundlegenden Haltung und Emotion vor dem Hintergrund unserer krisengebeutelten Welt steht im Fokus des 26. Philosophicum Lech.
Was dürfen wir hoffen? Immanuel Kants berühmte Frage müsste heute umformuliert werden, konstatiert Konrad Paul Liessmann in seinem Editorial: Dürfen wir überhaupt noch hoffen? Inwieweit die Optimismus beschwörende Formel ihre Berechtigung hat oder ironisch verstanden werden sollte, wird sich weisen.
Mehr dazu weiter unten und später – wie immer an dieser Stelle.
Wahrheit und Eigentum, Deutungshoheit und Souveränität. Das Thema des heurigen Ars Electronica Festivals ist wie immer ganz nah dran an den Brennpunkten unserer Zeit. Diesmal:
Kann man Wahrheit besitzen? Gibt es ein Recht auf Wahrheit und wenn sie jemand gehört, welche Verfügungsgewalt und welche Verantwortung wären damit verbunden? Was haben diese Fragen mit der Digitalisierung zu tun und wie hängt das mit der sich atemberaubend entwickelnden Leistungsfähigkeit der sogenannten Künstlichen Intelligenz zusammen? Lesen Sie (weiter unten), was der künstlerische Leiter der Ars Electronica, Gerfried Stocker dazu meint.
Ich habe 1988 vor unfassbaren 35 Jahren – zum ersten Mal über die Ars Electronica geschrieben und blieb seither tiefgehend fasziniert von den Inspirationen und Zukunftsentwürfen dieses international renommierten Festivals. Philosophen und Künstler äußerten sich damals zum Thema “Neue Technologien”. Vilem Flusser, Heinz von Förster, Peter Weibel und mehr. Ich erinnere mich etwa an einen Text von Jean Baudrillard:
“Die Menschen träumen – wider jede Einsicht – von genialen und schöpferischen Maschinen, weil sie an ihrer eigenen Schöpferkraft zweifeln, oder weil sie es vorziehen, sich ihrer Schöpferkraft zu entledigen, um erst über Maschinen vermittelt deren Nutznießer zu werden. Denn was diese Maschinen bieten, ist zuvorderst das Schauspiel des Denkens, und die Menschen frönen lieber dem Schauspiel des Denkens als dem Denken selber.”
Wie aktuell!
Heuer zwischen 6. und 10. September in Linz. Mehr hier.
Anstelle eines eigenen Blogbeitrags empfehle ich hier einen schönen Text aus dem Philosophie Magazin.
“Lob der Abwesenheitsnotiz.
Out-of-Office-Nachrichten sind ein Phänomen sommerlicher Ungerechtigkeit. Die einen schwitzen im Büro, die anderen sind im Urlaub. Dabei sollte man den Texten mehr Aufmerksamkeit widmen: Denn sie können eine ganz eigene Kunst sein.” Weiter geht´s hier.
Von 28. Juni bis 2. Juli finden die 47. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt statt. Lesungen, Diskussionen und Preisverleihung sind live auf 3sat und online zu verfolgen und auf bachmannpreis.ORF.at auch zeitlos on demand abrufbar. Am 2. Juli zeigt 3sat die Dokumentation „Vom Unerhörten im Alltäglichen“ über Ingeborg Bachmann.
Wie jedes Jahr eine schöne Gelegenheit, einen Einblick in den Literaturbetrieb zu bekommen. Und vielleicht mal wieder den einen oder anderen Poesieband zur Hand zu nehmen.
“Wer mutig Nein sagt, widersetzt sich äußeren Ansprüchen, um nach eigenen Vorstellungen zu leben. Doch ist die Verweigerung immer auch in Gefahr, in Narzissmus, Resignation, gar Depression abzugleiten. Wie kann die Philosophie helfen, die produktive Kraft des Neins zu entfalten?”