Warum Männer und Frauen ab nun getrennt ihren Berufen und auch sonstigen Tätigkeiten nachgehen sollen, frage ich mich nicht erst im Rahmen des derzeitigen Genderdiskurses und bin auch weiterhin nicht gewillt, den Sprachverstümmelungs-Wahnsinn mitzumachen.
“Deutschland ist besessen von Genitalien: Gendern macht die Diskriminierung nur noch schlimmer”, so lautet der Gastbeitrag der Schriftstellerin Nele Pollatschek im Berliner Tagesspiegel (2020). Zum ersten Mal hörte ich ihren Namen in einer Ö1-Sendung über einen Liebesbrief an England, ihr sehr spannend klingendes neues Buch “Dear Oxbridge“, das ich mir gleich darauf mal bestellt habe.
Im Zuge einer Recherche zu ihrer Person habe ich allerdings noch ein weiteres Thema entdeckt, das mich begeistert, weil es mir so tief aus der sprachbegeisterten Seele spricht – die Haltung der feministisch geprägten Denkerin: “Mühen wir Deutschen uns noch ab mit einer Genderisierung der Sprache, so werden in England gegenderte Formen der Sprache als sexistisch abgelehnt.” Zum ersten Mal war ihr das aufgefallen, “… als ein Professor mich fragte, ob wir in Deutschland Angela Merkel wirklich als „BundeskanzlerIN“ bezeichnen und ob denn die deutschen Feministen nichts dagegen täten … was der Professor meinte, war schlichtweg dies: Tun die deutschen Feministen denn nichts dagegen, dass es unterschiedliche Wortformen für Männer und Frauen gibt, dass also Männer und Frauen sprachlich unterschiedlich behandelt werden?”
Und Pollatschek fragte sich: “Warum fühlt sich Schriftstellerjude oder Schwarzgast so verdammt falsch an, wenn Schriftstellerin und Gästin im öffentlichen Diskurs nicht nur in Ordnung, sondern auch noch anti-diskriminierend sein sollen. Der englische Professor sah im deutschen Gendern das, was wir nur erkennen können, wenn wir die Analogie mit einer anderen Identitätsbeschreibung bilden: Diskriminierung.”
Hervorragend und analytisch argumentiert sie den Standpunkt, der sich übrigens total mit dem meinen deckt, etwa hier.
“Wer aus meinem „Schriftsteller“ ein „Schriftstellerin“ macht, kann auch gleich „Vagina“!” rufen”, und “mit dem generischen Maskulinum machen wir uns etwas kaputt, was wir schon haben”, so ihre Überzeugung: „Ich habe natürlich ganz viele Aspekte, wie jeder Mensch, und dann frage ich mich: Warum ist das einzige, was wir hier sichtbar machen wollen, das Geschlecht?“ Pollatschek hält die ständige Kennzeichnung des Geschlechts für unnötig, aber auch für unpraktisch, weil dadurch Unterkategorisierungen entstünden: „Wenn jemand zu einem Menschen sagt, der Brote backt: ‚Sie sind der beste Bäcker‘, dann ist das eine ganz andere Aussage als ‚Sie sind die beste Bäckerin‘.“
Dass die Frau Philosophie studiert hat (ihre Doktorarbeit an der Universität Oxford beschäftigte sich mit der Theodizeefrage im viktorianischen Roman) wundert mich freilich nicht; auf ihr schriftstellerisches Talent freue ich mich schon jetzt, das neue England-Buch ist bereits unterwegs zu mir. Mehr dazu dann in Bälde an dieser Stelle.