Bachmann und die Wahrheit
Die Texte und die darauffolgenden Diskussionen haben mich gerettet vor der 35-grädigen Hitze in Wien.
Im verdunkelten Zimmer verfolge ich die flirrende Atmosphäre der Literaturbegeisterten und genieße. Und gerade dort, wo es nichts anderes ist als l’art pour l’art. Die Kunst, die sich selbst genügt.
Alle Jahre wieder Bachmannpreis. Ich verfolge diese Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt, an denen das geschriebene Wort einen besonderen Stellenwert hat, zumeist im Fernsehen. Und ich freue mich über die Vielzahl der Positionen, freue mich über manche der Texte und fast noch mehr über die Verschiedenheit der Perspektiven darüber, wie man über Literatur sprechen kann.
„An diesen Tagen am Wörthersee scheint plötzlich allen klar, wozu es Literatur braucht und welche Stärken und Faszinationskräfte sie hat“, so der Juryvorsitzende Klaus Kastberger in seiner Abschlussrede.
Dazwischen immer wieder „echte Nachrichten“. Politische Umstürze. Krisen. Krieg. Bedrückend.
Dann liest Kastberger eine Textpassage aus einem Bachmann-Gespräch, das kurz vor ihrem Tod stattfand: „Man hat mich schon manchmal gefragt, warum ich einen Gedanken habe oder eine Vorstellung von einem utopischen Land, einer utopischen Welt, in der alles gut sein wird, in der wir alle gut sein werden. Darauf zu antworten, wenn man dauernd konfrontiert wird mit der Abscheulichkeit dieses Alltags kann ein Paradox sein. Was wir haben ist nichts. Reich ist man, wenn man etwas hat, das mehr ist als alle materiellen Dinge. Und ich glaube nicht an diesen Materialismus, an diese Massengesellschaft, an diesen Kapitalismus, an diese Ungeheuerlichkeit, die hier stattfindet. An diese Bereicherung der Leute, die kein Recht haben, sich an uns zu bereichern. Ich glaube wirklich an etwas. Und das nenne ich: Ein Tag wird kommen. Und eines Tages wird es kommen. Ja, wahrscheinlich wird es nicht kommen… denn man hat uns ja immer zerstört… seit so vielen tausend Jahren hat man es immer zerstört… es wird nicht kommen… und trotzdem glaube ich daran… denn wenn ich nicht daran glauben kann, kann ich auch nicht mehr schreiben.”
Mein Résumé dieses Wochenendes: Ja. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Aber sie interessiert ihn nicht.