Vom Sinn und Nutzen der Transzendenz
Beim diesjährigen Philosophicum in Lech sprach man “Über Gott und die Welt”. Der Untertitel lautete “Philosophieren in unruhiger Zeit”. Von der Grundfrage der Theologie über die Phänomenologie des Luxus bis hin zu einem humanistischen Gottesbild im Islam oder auch einer „Sinndefizitbewirtschaftung“ reichten die Reflexionen „über Gott und die Welt“. Leider war ich zwar nicht persönlich dabei. Zumindest aber las ich – unter anderem – den Vortrag des renommierten und von mir sehr geschätzen Schriftstellers und Philosophen Rüdiger Safranski, aus dem ich hier gern – bestmöglich in diesem Rahmen – für meine Leser einen kleinen Ausschnitt zitieren und ihnen diesen ans Herz legen möchte.
Ohne Glauben könnten wir gar nicht leben, sagt der Philosoph und Literaturwissenschaftler. „In der modernen Wissens-und Informationsgesellschaft lebt jeder, was das Wissen betrifft, aus zweiter oder dritter Hand. Da jeder nur Spezialist für Bestimmtes ist und Laie in Bezug auf den riesigen Rest, ist die hoch spezialisierte Wissensgesellschaft zugleich auch eine Glaubensgemeinschaft. Je mehr Wissen, desto mehr Glauben an das Wissen der anderen. Diese Art des Glaubens hat also auf jeden Fall eine große Zukunft.“
Wo keine Götter sind, walten Gespenster. (Novalis)
Und so glauben wir an die verkündeten Konjunkturprognosen, aber auch an die Psychoanalyse, den Urknall, die Klimakatastrophe, die Entropie samt kosmischen Kältetod, an die egoistischen Gene und so weiter, meint Safranski, und: „mögen die großen Kirchen sich auch leeren, das Angebot für den religiösen Hobbykeller indes wächst.“ Und er merkt an, dass bereits um 1800 Novalis gesagt habe: ‚Wo keine Götter sind, walten Gespenster.´
Religiöse Restwärme…
Auch vom Mehrwert der Kunst spricht der Professor – etwa in der Musik – und von “religiöser Restwärme”, die etwa “der Literatur (und auch der Philosophie) ihre besondere Strahlkraft” gegeben hat. “Schwindet sie, ist es um das besondere Charisma dieser Disziplinen geschehen. Die Säkularisierung entzauberte zuerst die Religion und dann die anderen kulturellen Bereiche. Es läuft auf eine Eindimensionalisierung hinaus, die letztlich wohl eine ökonomische ist. Deshalb ist es so wichtig, den Fuß in der Tür zu behalten, damit sie offen bleibt und nicht vollends zufällt. Denn dann sitzen wir in der Falle. Am Ende der Säkularisierung droht die Platzangst.“
Einen ständigen Gestaltwandel der Götter konstatiert er schließlich und warnt: „Gegenwärtig ist in den religiös erkalteten Zonen des Westes der Ort der Transzendenz ziemlich leer. Das braucht noch nicht einmal so schlimm zu sein, vorausgesetzt das transzendierende Vermögen, das einen vor der Eindimensionalität bewahrt, bleibt erhalten.“
In diesem Sinne…