“Allem Zukünftigen beißt das Vergangene in den Schwanz“ notierte Friedrich Nietzsche einst.
Ein Gedanke, der mich in letzter Zeit öfter beschäftigt. Ist es nicht so, frage ich mich: Je mehr Erfahrungen man im Laufe eines Lebens sammelt, desto größer werden die Radien, die sich überschneiden. Heute möchte ich meine Leser einladen, anlässlich der aktuellen Situation mit mir über Zyklen, Rhythmen und Wellenbewegungen nachzudenken. Nietzsche war übrigens nicht der erste, der die kosmologische Lehre von der Wiederkehr vertreten hat – zyklische Kosmologien finden sich weltweit in fast allen mythologischen Traditionen.
Radius eins:
Die Ewige Wiederkehr des Gleichen. Ein zentraler Gedanke in Nietzsches Philosophie, dem zufolge sich alle Ereignisse unendlich oft wiederholen. Dieses zyklische Zeitverständnis ist für Nietzsche die Grundlage höchster Lebensbejahung.
Radius zwei:
Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass sich das Wissen der Welt etwa alle fünf bis zwölf Jahre verdoppelt, wobei sich diese Rate noch erhöht. Dass die Menge an Informationen im Verhältnis zu anderen Bereichen der Gesellschafts- oder Wirtschaftsordnung überproportional zunimmt, bezieht sich allerdings primär auf die Quantität, nicht notwendigerweise auf die Qualität der neu geschaffenen Informationen.
Radius drei:
John Casti, amerikanischer Systemanalytiker und promovierter Mathematiker sprach schon vor vielen Jahren von sogenannten „X-Events“; extremen Ereignissen, die unsere fragilen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme zum Einsturz bringen können. Ein Vulkan bricht aus, eine Mini-Eiszeit kommt, das Geld ist nichts mehr wert: Solche Krisenszenarien kommen plötzlich, meinte Casti 2012, also vor acht Jahren, bei der dritten Wiener TEDx-Konferenz, die ich nicht nur miterlebte, sondern auch medial unterstützte. Casti schrieb damals einen Text dazu, der übersetzt im Standard erschien.
Dass Bill Gates schon vor fünf Jahren, ebenfalls bei einer TED Konferenz über das Corona Virus sprach, wie ich kürzlich entdeckte, verblüffte mich etwas. Der nächste Ausbruch trifft uns unvorbereitet, sagte er dort. Und weiter: “Rückblickend wissen wir, was wir hätten besser machen können”. Jetzt ist es daher an der Zeit – so meint er – all unsere guten Ideen in die Tat umzusetzen, angefangen von der Katastrophenplanung über die Erforschung von Impfstoffen bis hin zur Ausbildung für Gesundheitshelfer: „Es besteht kein Grund zur Panik … aber wir müssen jetzt loslegen.“
Seuchen wie Pocken, Pest oder Typhus haben in der Geschichte oft Schicksal gespielt. Ein lesenswerter aktueller Artikel zu dem Thema findet sich in DIE ZEIT. Die Folgen von Epidemien waren immer katastrophal. Manchmal hatten sie aber auch ihr Gutes. So hatte etwa der extreme Bevölkerungseinbruch der Beulenpest im 14. Jahrhundert auch positive Effekte: Es kam zu gesellschaftlichen Umwälzungen wie dem Ende der Leibeigenschaft und einem Anstieg der Löhne. Der Verlust an menschlicher Arbeitskraft beförderte außerdem zahlreiche mechanische Erfindungen wie den Buchdruck.
Kann der Mensch dazulernen? Kann sich Geschichte wiederholen? Oder spiegelt sie sich nur in dem, was gegenwärtig passiert? Zunächst sollten wir lernen, dass die Welt sich nach einer Pandemie auf die nächste vorbereiten muss. Das analysierte ein Redakteur der ZEIT Online in dem Artikel: Eine solche Pandemie gab es noch nie: “Es gab in der Vergangenheit genügend Warnungen – Ebola, Nipah, Sars, Mers oder die Vogelgrippe – und es ist nicht genug passiert. Seit Jahren warnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor einer Pandemie, wie wir sie jetzt beobachten. Seit Jahren sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO ihren Mitgliedstaaten: Tut mehr, um euch vorzubereiten!”
Zurück zu Nietzsche und Radius eins:
…denn alle Lust will Ewigkeit, will tiefe tiefe Ewigkeit, erklärt Zarathustra in seinem Nachtwandler-Lied. Allerdings… Nietzsches kritischer Geist macht natürlich auch vor den Unzulänglichkeiten einer unperfekten Welt nicht Halt: Und ewige Wiederkunft auch des Kleinsten! […] Ach, Ekel! Ekel! Ekel!
Also sprach Zarathustra und seufzte und schauderte.