Stell dir vor, es ist Krise und keiner geht hin
So kann´s ja wohl nicht weitergehen und keiner sagt was, hallo? Die Januar-Ausgabe von agora42 thematisiert den grundstürzenden Wandel in der Gesellschaft, der uns nun die Frage aufzwingt, warum gleichzeitig der Glaube an Fortschritt, Wohlstand und Demokratie weithin zerbrochen ist? Vielleicht weil viele empfinden, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Das Krisenbewusstsein wächst, und trotzdem herrscht Stillstand: Wirtschaftswachstum? Unverantwortlich! Folgenlose Bedürfnisbefriedigung? Undenkbar! Der Markt wird es schon regeln? Naiv! Aber warum regen sich so wenige über die Verhältnisse auf? Wo sind die Ideen für den Wandel?
Das Verblüffende an dieser Ausgabe: Hier sind die neuen Ideen zu lesen, aber sie sind gar nicht alle neu. Es sind Interviews aus den letzten zehn Jahren (hallo Jubiläumsjahr!). Und die zeigen, wie erschreckend wenig sich seitdem getan hat und wie relevant die Beiträge gerade heute sind. Unter anderem dabei: Gesine Schwan (2009) Richard David Precht (2010), Reinhold Messner (2011), Margarete Mitscherlich (2012), Sahra Wagenknecht (2012) Heinz Bude (2017) Robert Habeck (neu) und David Graeber (“Bullshit Jobs”, neu).
Eine kleine Themenauswahl:
Wer keine Angst hat, hat auch keine Zukunft, meint Heinz Bude, Soziologe und Philosoph, und: “Die Zukunft, an die wir glauben können, die kostet uns etwas.”
Interessant hier auch ein Nietzsche-Zitat von jemandem, den man in der Philosophie ad hoc vielleicht nicht vermuten würde: “Der selbstbestimmte Mensch ist der wirklich freie Mensch. Nietzsches Übermensch – nicht falsch verstanden! – ist genau dieser selbstbestimmte Mensch”, so der Bergsteiger Reinhold Messner im Artikel “Im Herzen bin ich Anarchist”.
Ein Heft zum Sammeln und Schmökern, das seine Aktualität nicht nur bewahrt, sondern wohl auch weiterhin zu erneuern versteht … sehr empfehlenswert.