Die Nacht ist die Zeit der Philosophie
… so meint etwa Georg W. F. Hegel: Erst mit der Dämmerung beginnt die Eule der Minerva ihren Flug. Die Philosophie sei wie eine Eule, die erst in der Abenddämmerung umherzufliegen beginne; sie könne erst Erklärungen liefern, wenn die zu erklärenden Phänomene bereits Geschichte seien. Philosophen könnten immer nur Vergangenes deuten. (In der römischen Mythologie wurde Minerva mit der griechischen Göttin der Weisheit Pallas Athene gleichgesetzt und ihr eine Eule symbolisch beigestellt, Anm.)
Aber warum gerade nachts? Der ORF-Fernsehjournalist Hanno Sattele befragt dazu nachts im Café für seine Doku-Reihe “Setteles Nachtschicht – Arbeiten wenn andere schlafen” unter anderem den Wiener Philosophen Robert Pfaller, meine Leser kennen ihn gut.
“Menschen, die sich nachts die Frage stellen, wozu sie auf der Welt sind – unter Umständen auch unter Einfluss von Alkohol – haben sich immerhin eine wichtige Frage gestellt. Wir schrecken ja immer mehr vor dieser Frage zurück und tun so, als ob uns eh nichts passieren könne, wenn wir uns nur brav und gehorsam verhalten – dann gäbe es nämlich keine Bedrohung vom Tod”, so Pfaller.
Und nun, da die Abenddämmerung naht, fand ich im Netz eine Passage der französischen Philosophin Simone Weil, die ich in diesem Zusammenhang für sehr passend halte: «Einzig der Widerspruch läßt uns erfahren, daß wir nicht alles sind. Der Widerspruch ist unser Elend, und das Gefühl für unser Elend ist das Gefühl für die Wirklichkeit. Denn unser Elend stellen wir nicht her. Es ist wahr. Deshalb muß man es lieben. Alles andere ist imaginär.»
Quelle: Soziopolis “Die Nacht im Menschen – Hegels “Phänomenologie des Geistes”.