„Meilensteine der Philosophie“: Die großen Knaller zu Gast bei Robert Pfaller.
So heißt ein neues Stück im Rabenhof-Theater. Erster Gast: Karl Marx.
Ein unterhaltsamer Abend, sehr empfehlenswert. Amüsant, sympathisch, niveauvoll. Freilich (und wohl auch bewusst) nicht perfekt, denn: Hier sind keine Schauspieler am Werk. Umso lauteres Bravo.
„Der renommierte Philosoph und Verteidiger der Unvernunft Robert Pfaller entert gemeinsam mit seinen Kolleginnen Katharina Lacina und Katharina Baumhakel das Genre „Unterhaltungstheater“, um dem Publikum den Titanen Karl Marx nahezubringen“, soweit der PR-Text. Die Musiker Christoph & Lollo rücken dabei den Highlights der Marx´schen Lehre auf satirisch-musikalische Weise auf den Leib.
Komplexe wissenschaftliche Inhalte auf einer Bühne darzustellen kommt einer Gratwanderung gleich – wissenschaftlich ebenso wie aus Sicht der Unterhaltungskunst. Wenn es dennoch gelingt und dabei noch Spaß macht, dem Publikum wie den Darstellern, dann ist das Experiment gelungen. Und wenn daneben auch noch Wissen vermittelt wird, dann könnte so ein Format glatt Bildungsfernsehen heißen, hier sogar mit Erlebnischarakter, weil ja im Theater.
Bevor ich die Science Busters je gesehen hatte, hätte ich mir kaum vorstellen können, dass sich naturwissenschaftliche Phänomene so verständlich und dabei humoristisch vermitteln lassen – jedes Schulkind konnte sich einen solchen Zugang zu naturwissenschaftlichen Inhalten bis dato bestenfalls vom Christkind wünschen. Für die Philosophie gilt kaum anderes.
Kurz zum Stück:
Ein verrückt gewordener Philosoph (Pfaller) wird ins Sanatorium eingeliefert, weil er sich seine eigene Fernsehshow wünscht: Anders als das theatralische Gehabe seiner Philosophenkollegen im Fernsehen will er quasi die ultimative Hauptabendprogramm-Show für die ganze Familie. Der Psychiater (Pfaller in Doppelrolle) weist die Krankenschwestern (Philosophin Katharina Lacina und Politologin Katharina Baumhakel) an, zur Anwendung der Psychodrama-Methode in die Rolle des Karl Marx zu schlüpfen; die eine in den jüngeren, idealistischen; die andere in den älteren, „weiseren“. Zu dritt argumentiert man nun – quasi trialogisch – zentrale Begriffe Marx´scher Lehre wie „Fetisch“, „Entfremdung“ oder „Kapital“. Dabei gibt es kritische Reflexionen und aktuelle Bezüge zu unserer Zeit – etwa präzise-lakonisch die Selbstausbeutungs-Zwickmühle der Hipster-Subkultur, die sich durch Nichtrauchen, vegane Ernährung und auch dadurch charakterisiert, nicht mehr genießen zu können. Eine Generation, der das „Wofür es sich zu leben lohnt“ abhanden gekommen zu sein scheint. Ein Thema, das Pfaller ja bekanntlich durchaus am Herzen liegt.
Sieht eine Kritik im Standard manches als zu belehrend, finde ich das Wagnis des neuen Formats gelungen, da Wissensvermittlung schwerlich anders als lehrreich daherkommen kann und ein neues Format nie frei von Kinderkrankheiten ist.
Freilich wird auch klar, was Katharina Lacina (sehr überzeugend!) alias Karl Marx, der Ältere, zu verstehen gibt: „Ihr sollts mich lesen, nicht meine Leiberln kaufen!“
Braucht Philosophie heute neue Präsentationsformen?
So fragte ich in der letzten Nacht der Philosophie (2015). Antwort: Ja. Wenn sie denn nicht ausschließlich als bloße Theorie angesehen werden soll, dann schon. Und wenn jemand wie ich einerseits Philosophie liebt und andererseits aus der Öffentlichkeitsarbeit kommt, dann liegt die Antwort klar auf der Hand: Menschen brauchen Philosophie. Heute mehr denn je. Und wie vermitteln? So wie immer, aber auch anders als bisher. Die Menschen dort abholen, wo sie sind. Uns sei es in der intellektuellen Resignation.
Ich sage es ja schon lange. Die Philosophen kommen. Neuerdings auch im sympathischen Rabenhof-Theater. Dabeisein ist alles. (Und bringt nicht nur Philosophiegeschulte zum Lachen). Man darf (ja, muß!) gespannt sein auf weitere derartige Abende.
Der kleine Franzi grölt am Schluss des Stücks übrigens besonders laut mit, als unter frenetischem Applaus die Internationale gesungen wird. Danach fragt er den Papa: Du, was ist jetzt eigentlich der Unterschied zwischen Theorie und Praxis? Sagt der Papa: Derselbe wie der zwischen Marx und Murks.
Was wohl prima vista auf jegliche Ideologie anwendbar ist?…
Marx ist tot, aber der Sozialismus lebt – zumindest als Idee. Wer sich darüberhinaus – und abgesehen von (grundsätzlich immer empfehlenswerter!) Buchlektüre – für das Thema aus heutiger Sicht interessiert, dem sei auch Axel Honneth ans Herz gelegt: Der Philosoph spricht in der SRF-TV-Sendung Sternstunde Philosophie von einem unvollendeten Projekt und entwirft einen Sozialismus für die Gegenwart.
Wie war das noch gleich? Ob Philosophie heute neue Präsentationsformen braucht?
Schauen Sie sich das an. Ob im Theater, im Fernsehen oder in der nächsten Nacht der Philosophie am 25. Mai in Wien. Info dazu demnächst an dieser Stelle.
P.S. Mehr Robert Pfaller gefällig? Hier, hier (auf seiner Homepage) und natürlich hier auf Seite 69 ff… („Nur wenn man eine Weile bei einer Sache bleibt, kann Begehren entstehen…“ Ein Interview mit Robert Pfaller. Und Der unsichtbare Dritte. Ist das kollektive Facebook-Leben ein delegiertes Leben? Essay. S. 77 ff)
(Fotos: Rabenhof)
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