Virtuell versus real oder umgekehrt?
Dawn of the New Everything – so nennt sich ein neues Buch für das Information Age. Das Silicon Valley-Netzkultur-Magazin Wired veröffentlicht dazu ein aktuelles Interview mit dem Autor Jaron Lanier, dem Pionier der Virtual Reality (VR)-Bewegung: Artificial Intelligence (KI) sei ein Fake-Ding, meint der Technologie-Skeptiker etwa, da es dort “bloß um Daten” ginge, wohingegen bei VR die Zeit-Raum-Komponente und das körperliche Erlebnis dazukomme. Es gehe dabei um menschliche Identität und Interaktion. Das Potential für ethischen Missbrauch bei VR mache ihm allerdings Kopfzerbrechen. Unbedingt erstrebenswert sei die Möglichkeit, in VR-Umgebungen zu improvisieren, so Lanier. Das sei wichtig für die Zukunft verschiedener Ausdrucks-Möglichkeiten. Was besonders wünschenswert wäre? “Eine Kreuzung aus Musik und Wahrnehmung” (Lanier ist auch Komponist).
Virtuelle Realität. Ein Phänomen, das mich vor fast 30 Jahren bereits fasziniert hat. Allerdings nicht aus technischen Gründen. Schon immer interessierten mich vielmehr die philosophischen, psychologischen und gesellschaftspolitischen Hintergünde. Damals schrieb ich in zahlreichen Fach- und Publikumsmedien über das neue sagenhafte Wunderding. Heute heisst es aus Expertenkreisen, „…das Genre stehe ganz am Anfang“. Dennoch scheint die Nischentechnologie mittlerweile – dank der VR-Brillen – Spielemessen und Haushalte tatsächlich zu erobern.
Unser Gehirn hat Probleme, den Widerspruch zwischen virtueller und realer Welt zu verarbeiten, heißt es unter anderem.
Es macht doch ein bisschen nachdenklich, wenn man bedenkt, wie der Begriff „Virtuelle Realität” entstanden ist. Er geht auf Antonin Artaud zurück, einen französischen Theater-Theoretiker der 1930-er Jahre. Der Dramatiker und Regisseur bezeichnete die Illusion, das Theater sei das wirkliche Leben, als “réalité virtuelle“. Dass er selbst sein Leben lang unter Schmerzen und chronischen Nervenerkrankungen litt, ist übrigens wenig bekannt. Mit den frühen Supercomputern kamen VR-Anwendungen in die Großindustrie und Forschung.
Jegliche Hintergrund-Lektüre zum Thema virtuelle Realität lohnt. So wie etwa dieser aktuelle Artikel aus dem gestrigen Guardian: How virtual reality is taking dementia patients back to the future.
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