Kant an sich
Kant damals und heute. “Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir” oder “Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte”. Ich erinnere mich an zahlreiche Sonntags-Frühstücke in meinem Elternhaus, wo Kant zitiert und über seine Schriften diskutiert wurde. Wie ein großes Denkmal schien er mir oft, wenngleich etwas angestaubt. Im April jährt sich Kants Geburtstag zum 300. Mal.
Leider so gut wie das einzige, was mir von meinem Großvater blieb – sind einige wunderschön in Leder gebundene Bücher; viele von Kant, andere von Schopenhauer oder Nietzsche. Mein Großvater – seines Zeichens Philosoph und Jurist – starb, als meine Mutter ein Kind war. Daher habe ich ihn leider nie kennengelernt, aber meine Mutter versicherte mir oft, wir hätten einander gut verstanden. Er schien jedenfalls ein glühender Kantianer gewesen zu sein – Briefe und Erzählungen über ihn belegen das.
“Die Kraft der Vernunft in chaotischen Zeiten” lautet der Untertitel der philosophie Sonderausgabe “Kant”. Nun, chaotische Zeiten hat auch mein Großvater erlebt – zwei Weltkriege immerhin und bald danach, genau dann, als sich die Welt langsam wieder zu erholen schien, starb er. Das Kant-Zitat “Je mehr du gedacht, je mehr du getan hast, desto länger hast du gelebt.” ziert seinen Grabstein.
Und was hätte uns Kant, der große Aufklärer, wohl heute zu sagen? Er war beispielsweise davon überzeugt, dass Freiheit kein Gefühl, sondern die Erfüllung unserer moralischen Pflicht ist, dass der Mensch nicht bloß ein intelligentes Tier, sondern auch ein transzendentes Wesen ist.
In Zeiten, in denen Influencer, Esoteriker und Fanatiker an Einfluss gewinnen, scheint Kants Aufruf, sich mutig des eigenen Verstandes zu bedienen, zeitgemäßer denn je, meint Philosophin Barbara Bleisch. In der Sonderausgabe des philosophie Magazins beantworten zeitgenössische Intellektuelle und Philosophen auf ihre Weise Kants drei große Fragen “Was kann ich wissen?”, “Was soll ich tun?” und “Was darf ich hoffen?” und interpretieren Kant aus vielen neuen Perspektiven.
Besonders spannend ist ein Interview mit dem Philosophen Jörg Toller, der sich fragt, zu welcher Art von Erkenntnis künstliche Intelligenz fähig ist? Wichtige Einsichten finden sich bei niemand Geringerem als Immanuel Kant, meint er.